Gebäude, für die aufgrund ihrer „schlechten“ Energieeffizienzklasse ein individueller Sanierungsfahrplan erstellt werden musste, müssen innerhalb von fünf Jahren so saniert werden, dass ihr Endenergieverbrauch auf den Standard der Effizienzklasse A abgesenkt wird, sofern es rechtlich (Denkmalschutz) und technisch möglich ist. Dies bedeutet, dass Gebäude der Klassen H, G und F bis spätestens 2030 und solche der Klassen E, D und C bis 2035 saniert sein müssen.
Durch eine möglichst schnelle Sanierung der Gebäude mit dem höchsten Energieverbrauch lassen sich am schnellsten die größtmöglichen Einsparungen erreichen. Die Einführung einer Verpflichtung in Anknüpfung an besonders „schlechte“ Effizienzklassen erscheint angesichts der kurzen verbleibenden Zeit erforderlich und verhältnismäßig. Hinzu kommt, dass die vorgeschlagene Sanierungspflicht lediglich ein energetisches Ziel vorgibt und der Weg zur Zielerreichung freigestellt wird, also größtmöglichen Freiraum belässt.
Ca. 30 % der Wohnfläche fällt in die Energieeffizienzklassen G und H.
Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi, 2020)
62 % des Wohngebäudebestandes wurde zwischen 1919 und 1978 errichtet, d. h. vor der ersten Wärmeschutzverordnung.
Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi, 2014)
Laut eines rechtlichen Gutachtens stehen Sanierungsverpflichtungen nicht im Gegensatz zum Eigentumsschutz im Grundgesetz.
Quelle: Gaßner & Neusüß (2011)
Die EU-Kommission hatte ursprünglich eine (nicht ausreichend weitreichende) Sanierungspflicht für besonders ineffiziente Gebäude im Rahmen der Reform der Gebäuderichtlinie (EPBD) vorgesehen, der das EU-Parlament zunächst zugestimmt hatte. Auf Druck von Eigentümer- und Wohnungswirtschaftsverbänden wurde die Pflicht von den Mitgliedsstaaten, u.a. von Deutschland, im Dezember 2023 abgelehnt.
Quelle: Haufe (2023)
Auch heute schon gibt es im Gebäudeenergiegesetz einige Pflichten. Zum Beispiel muss die oberste Geschossdecke gedämmt werden, genauso wie Dächer und Heizungsrohre und alte Heizungen müssen ausgetauscht werden.
Quelle: Wuppertal Institut (2021)
Rechtliche Grundlage
§ 51 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) „Anforderungen an ein bestehendes Gebäude bei Erweiterung und Ausbau“ muss erweitert werden. Hierfür wird einen Abschnitt 1b „Sanierungspflichten“ vorgeschlagen, in dem die Folgeparagrafen §§ 51e bis 51i neu formuliert werden.
Ausführliche Maßnahmenbeschreibung
Zwar besteht derzeit noch Spielraum, um Marktanreize für Sanierungen zu schaffen – neben Förderungen insbesondere durch eine Erhöhung der CO2-Bepreisung für Gebäude. Jedoch ist nicht davon auszugehen, dass eine ausreichende Zahl von Eigentümer:innen tatsächlich ausreichende Sanierungsmaßnahmen vornehmen wird, um das Ziel von Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen. Das liegt an einer Vielzahl von Hürden, indem z.B. die Energiekosten unterschätzt werden und die Amortisation erst nach längerer Zeit eintreten kann. Ordnungsrechtliche Vorgaben erscheinen daher notwendig.
Bei der verpflichtenden Sanierung ist den Eigentümer:innen überlassen, wie sie dies erreichen wollen. Selbsterzeugter PV-Strom, der ins Netz eingespeist wird, kann dabei vom Endenergieverbrauch mit dem Faktor 0,5 abgezogen werden. Bei der Verwendung zur Wärmeerzeugung oder für andere Zwecke am Gebäude selbst reduziert sich der Endenergiebedarf entsprechend. Damit wird zum einen darauf hingewirkt, dass PV weiter ausgebaut wird; zugleich wird ein Anreiz geschaffen, den selbsterzeugten Strom zunächst im Gebäude zu nutzen. Dass vollständig auf energetische Sanierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle verzichtet wird und lediglich eine große PV-Anlage installiert wird, scheidet aber schon deshalb aus, weil in den Wintermonaten nicht ausreichend Strom produziert werden kann.
Hintergrund
Derartige Sanierungspflichten sind verfassungsgemäß. Vorschriften, die zu einer Verankerung von Sanierungspflichten führen, stellen Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentumsrechts aus Art. 14 GG dar. Somit ist die Verhältnismäßigkeit der Sanierungspflicht anhand einer Abwägung der konkreten Schwere der Eigentumsbeeinträchtigung und den (potenziellen) Folgen für den Klimaschutz zu treffen. Nicht mehr verhältnismäßig sind Verpflichtungen zu solchen Maßnahmen, die sich nicht amortisieren.
Gegen die Durchführung anderer, geplanter Sanierungen (etwa Umbauten am Gebäude) als Anknüpfungstatbestand spricht, dass dann u.U. eigentlich notwendige Sanierungen vermieden werden, um nicht die energetische Sanierungspflicht auszulösen. Gegen den Eigentümer:innenwechsel als Anknüpfungstatbestand spricht, dass dann Wohnungsbaugesellschaften nicht erfasst wären. Gegen die verbindliche Vorgabe bestimmter Maßnahmen spricht, dass dann keine Technologieoffenheit mehr besteht. Aus verfassungsrechtlicher Sicht erleichtert ein Wahlrecht in Bezug auf die zur Zielerreichung zu wählenden Mittel die Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs.
Quelle: Gaßner & Neusüß (2011)
Potentiale
Gebäude mit energetisch schlechtem Zustand werden vor allem von Mieter:innen bzw. Menschen mit wenig Geld bewohnt. Eine Sanierungspflicht kann somit zu mehr sozialer Gerechtigkeit führen, da neben der positiven Klimawirkung die Mieter:innen (oder sogar der Staat, falls Sozialleistungen bezogen werden) Energiekosten sparen. Selbstverständlich nur, wenn die Sanierungskosten nicht (vollständig) auf die Bewohner:innen umgelegt werden (s. Risiko).
Quelle: Holzmann (2023)
Die Sanierungspflicht könnte durch eine Förderung flankiert werden, die abhängig davon ist, wie schnell die Maßnahmen umgesetzt werden. So können auch Eigentümer:innen mit wenig Mitteln den Pflichten nachkommen.
Quelle: Wuppertal Institut (2021)
Risiken
Sanierungskosten können zum Teil auf die Miete umgelegt werden und können so zu sozialen Härten führen. Daher ist es wichtig bei Sanierungspflichten entsprechende Kompensationsmechanismen mitzudenken, wie z.B. das Drittelmodell.
In Frankreich besteht eine Verpflichtung für Eigentümer:innen der Gebäude mit Effizienzklassen F und G bis 2028, Sanierungsmaßnahmen vorzunehmen, allerdings wird als Zielwert nur Effizienzklasse E vorgeschrieben.
Sanierungsvorgaben für bestehende Gebäude - Vereinbarkeit mit Eigentumsschutz und anderen Grundrechten. Im Auftrag von NABU - Naturschutzbund Deutschland e.V.
"Der Eigentumsschutz aus Art. 14 GG hindert den Gesetzgeber nicht daran, Eigentümern von bestehenden Gebäuden neue Verpflichtungen zur Senkung des Energiebedarfs und der durch Heizzwecke verursachten CO2-Emissionen aufzuerlegen. Entsprechende Schrankenbestimmungen werden grundsätzlich durch das Ziel des Klimaschutzes legitimiert. Der Gesetzgeber muss dabei die Verhältnismäßigkeit der Anforderungen sicherstellen. Er hat dabei einen Ausgleich zwischen legitimen Interessen der Eigentümer und den Erfordernissen des Klimaschutzes zu finden."
Vorschlag für eine RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung) vom 21. Oktober 2022
Vergleichende Untersuchung zur Effizienzpolitik Gebäude, Frankreich – Deutschland
"Darüber hinaus wurden im Energie- und Klimagesetz weitere Maßnahmen eingeführt, mit denen insbesondere Gebäude mit geringer Energieeffizienz adressiert werden sollen. Für Gebäude der Energieklassen F und G gemäß Energieausweis sieht das Gesetz u. a. folgende Maßnahmen vor:
Verpflichtendes Energieaudit bei Verkauf oder Vermietung, einschließlich Empfehlungen für Effizienzmaßnahmen und Kostenschätzung (ab 2022)
Verbot von Mieterhöhungen bei Neuvermietung, solange keine Effizienzmaßnahmen durchgeführt werden (ab 2021)
Verpflichtung aller Eigentümer zur Verbesserung der Energieeffizienz bis 2028 (erreicht werden muss mindestens Energieeffizienzklasse E); Nichteinhaltung müssen Eigentümer in den Vertrags und Werbungsunterlagen angeben.
Weitere Maßnahmen bei Nichteinhaltung der Sanierungsverpflichtung sollen vom Parlament 2023 im Rahmen der fünfjährigen Energieplanung definiert werden." (S. 28)
Langfristige Renovierungsstrategie der Bundesregierung (S. 60)
Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?
Haufe (2023) Gebäuderichtlinie: EU verzichtet auf harte Sanierungspflicht. Accessed: 04. March 2024
Holzmann (2023) Mieter:innen und einkommensschwache Haushalte bei Energieeffizienz benachteiligt. Wirtschaftsdienst 103:192–197
Deutsches Energieberater-Netzwerk (2019) Stellungnahme des Deutschen Energieberaternetzwerk e.V. (DEN e.V.) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung - Gesetz zur Vereinheitlichung des Energieeinsparrechts für Gebäude (GEG-Entwurf Bearbeitungsstand :28.05.2019 21:02 Uhr)2019)
Thomas, S., Bierwirth, A., März, S., Schüwer, D., Vondung, F., von Geibler, J., & Wagner, O. (2021). CO2-neutrale Gebäude bis spätestens 2045 (Zukunftsimpuls Nr. 21). Wuppertal Institut
Zuständige Bundesminister:innen
Bundestagsabgeordnete aus den zuständigen Ausschüssen
Frau Christina-Johanne Schröder
Mitglied Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen
In Frankreich besteht eine Verpflichtung für Eigentümer:innen der Gebäude mit Effizienzklassen F und G bis 2028, Sanierungsmaßnahmen vorzunehmen, allerdings wird als Zielwert nur Effizienzklasse E vorgeschrieben.
Sanierungsvorgaben für bestehende Gebäude - Vereinbarkeit mit Eigentumsschutz und anderen Grundrechten. Im Auftrag von NABU - Naturschutzbund Deutschland e.V.
"Der Eigentumsschutz aus Art. 14 GG hindert den Gesetzgeber nicht daran, Eigentümern von bestehenden Gebäuden neue Verpflichtungen zur Senkung des Energiebedarfs und der durch Heizzwecke verursachten CO2-Emissionen aufzuerlegen. Entsprechende Schrankenbestimmungen werden grundsätzlich durch das Ziel des Klimaschutzes legitimiert. Der Gesetzgeber muss dabei die Verhältnismäßigkeit der Anforderungen sicherstellen. Er hat dabei einen Ausgleich zwischen legitimen Interessen der Eigentümer und den Erfordernissen des Klimaschutzes zu finden."
Vorschlag für eine RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung) vom 21. Oktober 2022
Vergleichende Untersuchung zur Effizienzpolitik Gebäude, Frankreich – Deutschland
"Darüber hinaus wurden im Energie- und Klimagesetz weitere Maßnahmen eingeführt, mit denen insbesondere Gebäude mit geringer Energieeffizienz adressiert werden sollen. Für Gebäude der Energieklassen F und G gemäß Energieausweis sieht das Gesetz u. a. folgende Maßnahmen vor:
Verpflichtendes Energieaudit bei Verkauf oder Vermietung, einschließlich Empfehlungen für Effizienzmaßnahmen und Kostenschätzung (ab 2022)
Verbot von Mieterhöhungen bei Neuvermietung, solange keine Effizienzmaßnahmen durchgeführt werden (ab 2021)
Verpflichtung aller Eigentümer zur Verbesserung der Energieeffizienz bis 2028 (erreicht werden muss mindestens Energieeffizienzklasse E); Nichteinhaltung müssen Eigentümer in den Vertrags und Werbungsunterlagen angeben.
Weitere Maßnahmen bei Nichteinhaltung der Sanierungsverpflichtung sollen vom Parlament 2023 im Rahmen der fünfjährigen Energieplanung definiert werden." (S. 28)
Langfristige Renovierungsstrategie der Bundesregierung (S. 60)
Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?
Haufe (2023) Gebäuderichtlinie: EU verzichtet auf harte Sanierungspflicht. Accessed: 04. March 2024
Holzmann (2023) Mieter:innen und einkommensschwache Haushalte bei Energieeffizienz benachteiligt. Wirtschaftsdienst 103:192–197
Deutsches Energieberater-Netzwerk (2019) Stellungnahme des Deutschen Energieberaternetzwerk e.V. (DEN e.V.) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung - Gesetz zur Vereinheitlichung des Energieeinsparrechts für Gebäude (GEG-Entwurf Bearbeitungsstand :28.05.2019 21:02 Uhr)2019)
Thomas, S., Bierwirth, A., März, S., Schüwer, D., Vondung, F., von Geibler, J., & Wagner, O. (2021). CO2-neutrale Gebäude bis spätestens 2045 (Zukunftsimpuls Nr. 21). Wuppertal Institut
Zuständige Bundesminister:innen
Bundestagsabgeordnete aus den zuständigen Ausschüssen